Masern auf dem Vormarsch
Es klingt unglaublich und ist doch traurige Realität. In Berlin ist ein Kleinkind an Masern gestorben. Wie kann es sein, dass in einem hochentwickelten Industrieland mit einem exzellenten Gesundheitswesen Kinder an dieser schwerwiegenden Infektion erkranken oder sogar sterben?
Zur Geschichte der Impfpflicht
Mit dem Reichsimpfgesetz wurde 1874 in Deutschland ein einheitliches Gesetz für vorgeschriebene Impfungen erlassen. Auslöser des Gesetzes waren die Pocken, die damals weltweit auf dem Vormarsch waren. Ab den 1950er Jahren setzte die DDR eine allgemeine Impfpflicht gegen Pocken, Masern, Mumps, Röteln, Tetanus, Diphterie und Tuberkulose um. Aufgrund des lückenlosen Impfens aller Kinder gab es die gefährlichen Kinderkrankheiten in der DDR praktisch nicht mehr. Die Pocken konnten übrigens sogar weltweit besiegt werden. Mit der Wiedervereinigung wurde die Impfpflicht im Osten Deutschlands – wie in der BRD bereits viele Jahre eher – abgeschafft. Seit den 1990er Jahren bildeten sich auch in den neuen Bundesländern zahlreiche Initiativen besorgter Eltern, die ihre Kinder nicht den vermeintlichen Risiken einer Masernimpfung oder dem Profitstreben der Pharmakonzerne aussetzen wollten und diese deshalb nicht mehr impfen ließen. Ähnlich verhielt es sich mit den anderen Impfungen gegen Kinderkrankheiten.
Masern sind extrem ansteckend
Wer einmal beim Kinderarzt war und dessen verzweifelten Berichte über in den Räumen seiner Praxis an Masern erkrankter Kinder gehört hat, den lässt das so schnell nicht wieder los. Kinder dürfen erst zwischen dem 11. und 14. Lebensmonat gegen Masern geimpft werden. Bis dahin wurden die Babys bereits zu wichtigen Vorsorgeuntersuchungen in die Kinderarztpraxis bestellt. Was aber ist, wenn sich dort größere Kinder oder Erwachsene aufhalten, die nicht geimpft sind und den Erreger in sich tragen? Sie stecken womöglich die Kinder an, die eben noch nicht geimpft sind. Masern wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und da genügt bereits ein Niesen oder Husten. Behandeln lässt sich die Infektion nicht. Die Folgen einer Masernerkrankung können – neben dem Tod – zur Lungen- oder Mittelohrentzündung, zu schweren Erkrankungen des Gehirns bis zum Verlust aller motorischen und geistigen Funktionen führen. Dagegen dürften die Risiken einer rechtzeitigen Impfung harmlos sein.
Wann eine Auffrischung der Masern Impfung erfolgen sollte
Experten empfehlen die Masernimpfung – neben den Kindern – vor allem Erwachsenen, die im direkten Kontakt mit Kindern und Jugendlichen, mit chronisch Kranken oder Patienten mit geschwächtem Immunsystem stehen. Generell empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) allen Erwachsenen, die nach 1970 geboren wurden und nicht oder nur einmal gegen Masern geimpft wurden, eine entsprechende Impfung. Lässt sich die Impfung anhand des Impfausweises nicht eindeutig feststellen oder ist eventuell gar kein Impfausweis vorhanden, sollte die Masernimpfung vorbeugend erfolgen. Dabei genügt dann eine einmalige Impfung, um einen vollständigen Schutz zu erreichen. Ist es zu einer nachweislichen Ansteckung mit den Masernerregern gekommen, rät die Ständige Impfkommission (STIKO) dringend zu einer Impfung vorzugsweise mit MMR-Impfstoff. Die Impfung sollte möglichst innerhalb der ersten drei Tage nach Kontakt mit dem an Masern Erkrankten erfolgen.
Impfexperten fordern jetzt eine neue Impfpflicht
Es ist nur verständlich, dass die Impfbefürworter jetzt nach einer erneuten Impfpflicht rufen. So fordert die Ärzteschaft aktuell eine Impfpflicht an Schulen und in Kindergärten. Eine solche Pflicht zur Impfung dient laut dem Präsidenten der Ärztekammer Berlin nicht nur dem Schutz des Einzelnen, sondern auch dem Schutz der gesamten Bevölkerung. Dabei appellieren die Mediziner an die Eltern und gleichzeitig an alle ungeimpften Erwachsenen. Sicher möchte niemand die Verantwortung dafür übernehmen, an einer eventuellen Erkrankung anderer Menschen zumindest moralisch eine Mitschuld zu tragen.